0. Einführung
1. Grundsätzliches zur Internetethik
2. Internetaktivitäten, deren Verbot generell sinnvoll erscheint
3. Herwart Holland-Moritz: Eine Stimme aus Deutschland für grenzenlose Meinungsfreiheit
4. Die technischen Gegebenheiten und ihre ethische Problematik


5. Rechtliche Situation in Deutschland
5. 1. Das Zensurverbot des Grundgesetzes
5. 2. Rechtliche Probleme bei der Beurteilung des Internets
5. 3. Umgang mit strafbaren Inhalten im Internet
5. 3. 1. Das Internet ist nicht anonym
5. 3. 2. Webseiten im Ausland
5. 3. 3. Ausländische Webseiten im Inland strafbar
5. 3. 3. 1. Entscheidung des Bundesgerichtshof
5. 3. 3. 2. Harte Kritik an der deutschen Praxis
5. 3. 4. “Das Netz” reagiert auf Zensurversuche
5. 3. 5. Lahmlegen ausländischer Seiten?
5. 3. 6. Freiwillige Löschung durch die Provider


6. Ethische Bewertung
7. Resümee
8. Literatur





5. Rechtliche Situation in Deutschland


5. 1. Das Zensurverbot des Grundgesetzes



In der Diskussion um Zensur im Internet wird meist vor dem Hintergrund der amerikanischen Verfassung argumentiert, die der Meinungsfreiheit einen außerordentlich hohen Stellenwert einräumt. Meist wird vor diesem Hintergrund die verfassungsrechtliche Situation in Deutschland nur verzerrt wahrgenommen und beschränkt sich auf die Wiedergabe von Artikel 5 I Satz 3 GG “Eine Zensur findet nicht statt.”, ohne die Einschränkungen des Absatz 2 und die juristische Definition von Zensur im Sinne des Grundgesetzes zu kennen.
Artikel 5 GG garantiert zunächst in Absatz 1 die Meinungsäußerungsfreiheit und die Pressefreiheit. Wie in der amerikanischen Rechtsprechung (250) , so ist auch hier klar, daß diese Freiheit ihre Grenzen haben muß. Absatz 2 nennt als Schranken der Meinungs- und Pressefreiheit die “allgemeinen Gesetze”, den Jugendschutz und die persönliche Ehre. Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit kann zum “Schutze eines Gemeinschaftswertes, der gegenüber der Bestätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat” (251) , eingeschränkt werden. Allerdings ist bei der Anwendung eines Gesetzes, (252)  das die Meinungs- oder Pressefreiheit einschränkt, “die hohe Bedeutung der in Art. 5 Abs. 1 geschützten Rechte für den demokratischen Staat zu berücksichtigen”, (253)  es muß damit “so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieser Rechte auf jeden Fall gewahrt bleibt.” (254)  Die Rechtsvorschriften, die “dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, [müssen] ihrerseits aber [...] in ihrer die Grundrechte begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden.” (255)  Das bedeutet, das Ziel der Einschränkung “muß in angemessenem Verhältnis zu den Einbußen stehen, welche die Beschränkung für die Freiheiten des Art. 5 I bedeutet.” (256)  Praktisch bedeutet das, daß es jeweils zu einem Abwägungsvorgang kommen muß, bei dem auch die Umstände des Einzelfalls in die Beurteilung miteinbezogen werden müssen. (257) 
Für das Verständnis des in Artikel 5 I Satz3 GG festgeschriebenen Zensurverbots ist ausschlaggebend, daß es sich hierbei nur um das Verbot der Vor- bzw. Präventivzensur handelt, also eines Prüfungsverfahrens, vor dessen Abschluß das Werk nicht veröffentlicht werden darf. (258)  Somit bedeutet das Zensurverbot des Grundgesetzes nicht, daß die Meinungs- und Pressefreiheit aus der allgemeinen Rechtsordnung herausfallen würden, sondern daß “Kontroll- und Repressivmaßnahmen [...] erst nach der Veröffentlichung [...] einsetzen.” (259)  “Springender Punkt des Verbots der Vorzensur ist gerade, daß durch sie nicht präventiv verhindert werden darf, was später repressiv vor Gericht verfolgt werden darf.” (260)  “Eine 'Nachzensur' [...] ist daher zulässig.” (261)  Eine besondere Bedeutung hat im Zusammenhang mit staatlichen Eingriffen in Presse- und Meinungsfreiheit der Jugendschutz, da er selbst Verfassungsrang genießt, (262)  ebenso wie der Schutz der persönlichen Ehre. (263)  Durch die Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit aufgrund des Jugendschutzes sollen die entsprechenden Veröffentlichungen nicht in erster Linie selbst unterdrückt werden, sondern nur von Jugendlichen ferngehalten werden. (264)  Nach dem Bundesverfassungsgericht geht eine “schwere sittliche Gefährdung” (265)  von Publikationen aus, die Gewalt, Verbrechen oder Krieg verherrlichen, Rassenhaß hervorrufen wollen oder “sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen”. (266)  Während Verstöße gegen das Jugendschutzrecht für den Anbieter strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Folgen haben können, ist es dem Staat erlaubt, bei jugendgefährdenden Fernsehsendungen, die per Satellit aus dem Ausland nach Deutschland übertragen werden, so daß keine rechtliche Handhabe gegen die Betreiber besteht, während der angenommenen Hauptfernsehzeit der Jugendlichen das Sendesignal des Kanals technisch zu stören oder zu blockieren. Analog dazu kann durch den Staat “die Verbreitung jugendgefährdender Inhalte über Internet [...] unterbunden werden.” (267) 


Das Grundgesetz sieht also rechtliche und technische Eingriffe in Presse- und Meinungsfreiheit vor, die zwar aus politischen Interessen als “Zensur” bezeichnet werden können, solche Äußerungen gebrauchen damit aber einen anderen Zensurbegriff als das Grundgesetzes und können somit ihre Forderungen nicht auf Artikel 5 GG stützen. Meinungsäußerungen können gegen das Strafrecht verstoßen und dann strafrechtlich verfolgt werden und ihre weitere Verbreitung kann durch den Staat unterbunden werden.


5. 2. Rechtliche Probleme bei der Beurteilung des Internets

Das Internet stellt wegen seiner Internationalität und seiner im Gegensatz zu Presse und Rundfunk neuartigen Struktur (“Interaktivität”) eine Herausforderung der deutschen Justiz dar, da auf die neuen Verhältnisse des Internets die Regeln für die “herkömmlichen” Medien nicht ohne Probleme angewandt werden können. So wurde der Geschäftsführer des Onlinedienstes Compuserve Felix Somm im Mai 1998 wegen Mittäterschaft bei der Verbreitung von Kinderpornographie zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, weil Compuserve in seiner Funktion als Internetzugangsanbieter Zugriff auch auf derartige Dateien ermöglichte, (268)  bevor er im Berufungsverfahren vor dem Münchner Landgericht freigesprochen wurde, weil das Berufungsgericht im Gegensatz zu dem Amtsrichter der ersten Instanz zu dem Urteil kam, daß ihm eine Sperrung der fraglichen Dateien “weder zumutbar noch möglich gewesen” sei. (269) 
Folge einer Übertragung bisher für das Fernsehen geltender Regeln auf das Medium Internet dürften auch die Spekulationen um die Einführung einer “Sendezeitbegrenzung” für das Internet gewesen sein, nach der geplant sei, daß zukünftig sichergestellt werden müsse, daß Zugriff auf jugendgefährdendes Material nur noch zu bestimmten Zeiten möglich ist. (270) 
Schwierigkeiten bereitet auch die Einschätzung, ob eine Webseite schon durch ihre Existenz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist. 1997 hatte die Staatsanwaltschaft Regensburg die Ermittlungen gegen eine Plattenfirma eingestellt, die auf ihrer Webseite das T-Shirt eines gekreuzigten Schweines abgebildet hatte, weil für die Erfüllung des Straftatbestand der Gotteslästerung auch die Störung des öffentlichen Ordnung hinzugehört, was aus Sicht des Staatsanwaltes aber deswegen nicht gegeben war, weil die fragliche Abbildung praktisch nur der eher geringen Anzahl von Personen zugänglich sei, die die Plattenfirma kennen. (271) Das Oberlandesgericht Nürnberg widersprach in einem Klageerzwingungsverfahren dieser Ansicht und führte aus, daß die Abbildung durch die Veröffentlichung auf der Homepage durchaus “einem größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis” (272) bekannt werden könne, wodurch die Darstellung geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören. Rötzer faßt die Rechtsauffassung des Gerichts folgendermaßen zusammen: “Es geht also lediglich um die Möglichkeit, daß viele prinzipiell die Abbildung sehen könnten, auch wenn sie [das] nicht wirklich machen.” (273) 


Aufgrund der Internationalität des Internets und der scheinbaren Anonymität der Technik bestehen für die Justiz auch einige Probleme, die Urheber strafbaren Materials zur Rechenschaft zu ziehen.


5. 3. Umgang mit strafbaren Inhalten im Internet


5. 3. 1. Das Internet ist nicht anonym



“Das Internet” (274)  ist bei weitem nicht so anonym, wie in der öffentlichen Diskussion meist angenommen wird. Jede im Netz veröffentlichte Seite kann “innerhalb weniger Minuten einem real existierenden - zumindest technisch - Verantwortlichen zugeordnet werden” (275) . Der Besitzer einer jeden in Deutschland registrierten Domain (276)  ist über eine zentrale Datenbank der deutschen Domainregistrierungsstelle (Denic) mit vollständiger Postanschrift, Telefonnummer und eMail-Adresse abrufbar. (277)  Selbiges gilt für alle Domainregistrierungsstellen des Netzes. (278)  Somit ist der Besitzer und damit Verantwortliche für den Inhalt etwa der Internetdomain “domain-in-deutschland.de” problemlos auszumachen. Schwieriger ist das bei Webseiten, die sich in Unterverzeichnissen größerer Internetanbieter befinden, etwa “mitglieder.provider-in-deutschland.de/eines-der-mitgliederverzeichnissse/”. In diesem Fall kann zwar zunächst nur der Besitzer, und damit der technisch Verantwortliche der Domain “provider-in-deutschland.de” ermittelt werden, wer jedoch für die Webseite im Verzeichnis “eines-der-mitgliederverzeichnissse/” verantwortlich ist, kann nicht ohne weiteres herausgefunden werden. In diesem Fall aber kennt die Firma, die die technischen Voraussetzungen für die Webseite zur Verfügung stellt, den Namen und die Adresse ihres Kunden. Sogar in dem Fall, wo anonyme oder pseudonyme Anmeldungen möglich sind (in Deutschland etwa bei “fortunecity.de”), kann (wenn auch technisch aufwendiger) über den notwendigerweise beim Aktualisieren der Seite entstehenden Datenverkehr der Verantwortliche herausgefunden werden. Nach deutscher Rechtslage ist die Anbieterfirma verpflichtet, den Strafverfolgungsbehörden diese Informationen zu verschaffen. (279) 




5. 3. 2. Webseiten im Ausland


Problematisch wird es erst, wenn sich die betreffenden Webseiten auf einem Server im Ausland befinden. Technisch kann jeder Internetnutzer auf sie ebenso einfach zugreifen wie auf eine Seite, die auf einem deutschen Server liegt. Bei einer eigenen Adresse wie “domain-in-amerika.com” kann ebenfalls über die nationale (hier amerikanische) Registrierungsstelle der Besitzer ermittelt werden. Allerdings hat die deutsche Justiz keinen Zugriff auf den Besitzer, solange seine Aktivitäten in seiner Heimat legal sind und er nicht nach Deutschland einreist. Der inhaltlich Verantwortliche für die Webseite “internettrash.com/users/ksg/” (280)  ist dagegen kaum zu ermitteln. Der technisch Verantwortliche für die Seite der (vermutlich) deutschen rechtsextremistischen “Kameradschaft Gera” kann zwar durch Recherche nach dem Besitzer der Domain “internettrash.com” wie oben einfach ermittelt werden, da die Firma ihren Sitz (und den Standort ihrer Server) in Amerika hat, kann sie aber nicht gezwungen werden, die inhaltlich Verantwortlichen herauszufinden, (281)  auch wenn diese (vermutlich) Deutsche sind, in Deutschland wohnen und sich nach deutschem Recht strafbar gemacht haben. “Das Problem ist also nicht die Zuordnung einer Seite, sondern unterschiedliche Rechtssysteme in unterschiedlichen Ländern.” (282) 




5. 3. 3. Ausländische Webseiten im Inland strafbar


5. 3. 3. 1. Entscheidung des Bundesgerichtshof



Somit wäre die einfachste Möglichkeit gewesen, nach deutschem Recht strafbare Inhalte auf deutschen Servern zu verhindern und Publikationen von Deutschen auf ausländischen Servern (soweit erkennbar) zu bestrafen. Die deutsche Rechtsprechung geht jedoch noch weiter: nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes (BGH) macht sich ein fremder Staatsangehöriger in Deutschland strafbar, wenn er auf einer ausländischen Webseite etwa den Holocaust leugnet. (283)  In diesem Fall hatte ein (deutschstämmiger) Australier auf einer australischen Webseite den Holocaust als Erfindung bezeichnet und wurde bei seiner Einreise nach Deutschland festgenommen und verurteilt.



5. 3. 3. 2. Harte Kritik an der deutschen Praxis



Diese Entscheidung ist auf teilweise harte Kritik gestoßen. Das deutsche Icann-Vorstandsmitglied und Pressesprecher des Chaos Computer Clubs Andy Müller Maguhn merkte an, wenn andere Länder dem Grundsatz des BGH folgten, müßten etwa deutsche Studenten, die sich in Diskussionsforen geäußert haben, “bei der Einreise nach China gleich mit der einstweiligen Erschießung rechnen”. (284)  Auch die ehemalige Vorstandsvorsitzende der Domainverwaltungsorganisation- Icann Esther Dyson kritisiert, daß hier ein nationales Gericht den Anspruch erhebt, daß “meine Regeln überall gelten sollten”. (285)  Schon während ihrer Amtszeit hatte sie das Ansinnen von Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin, alle rechtsextremistischen Webseiten weltweit aus dem Netz zu verbannen, scharf zurückgewiesen (286)  und statt dessen daraufhingewiesen, daß es “besser ist, sich Gegnern argumentativ zu stellen, als sie zum Schweigen zu verurteilen”, (287)  da die verbotene Meinung dadurch geheimnisumwittert noch attraktiver erscheint, sobald sie an anderer Stelle wieder auftaucht. (288) 



5. 3. 4. “Das Netz” reagiert auf Zensurversuche



In diesem Zusammenhang ist es wichtig daraufhinzuweisen, daß es zwar eine ziemliche Übertreibung darstellt, wenn Schröder ausführt, das Entfernen bestimmter Inhalte aus dem Internet sei technisch unmöglich, (289)  allerdings ist ein solches Ansinnen nur außerordentlich schwer durchzusetzen. Jede Webseite kann nämlich ohne größere Umstände auf jedem anderen verfügbaren Server “gespiegelt” werden, d.h. es findet sich unter anderer Adresse exakt die gleiche Webseite. So konnte nach der Sperrung der Domain “radio-germania.de” (290)  zwar die gewünschte Webseite nicht mehr unter der bekannten Adresse erreicht werden, die neuen Adressen konnten aber, ohne daß sie vorher bekannt gewesen wären, problemlos über Suchmaschinen (291)  herausgefunden werden. Als auf Anordnung der Mannheimer Staatsanwaltschaft der Provider T-Online den Zugriff auf die Seite des kanadischen Neonazis Ernst Zündel über ihr Netz verhinderte, wurde die Seite innerhalb kürzester Zeit auf diversen Servern amerikanischer Universitäten gespiegelt. (292)  Auf die Forderung der Bundesanwaltschaft, den Zugriff auf den niederländischen Server von “xs4all.nl” (= “access for all” = “Zugang für alle”) durch alle deutschen Internetprovider zu sperren, weil dort die linksextremistische Webseite “radikal” zu finden war, wurde innerhalb kürzester Zeit diese Seite weltweit über 50 mal gespiegelt. (293)  Der Versuch eines staatlichen Eingriffs wird von den Nutzern des Internet “immer noch als 'Angriff', den es zu umgehen gilt” (294)  angesehen, so daß die unerwünschten Informationen nicht nur nicht entfernt wurden, sondern im Gegenteil noch mehr Aufmerksamkeit erlangen, als es je vorher der Fall gewesen wäre.




5. 3. 5. Lahmlegen ausländischer Seiten?


Da den Betreibern rechtsextremistischer Websites in Amerika über die Justiz nicht beizukommen ist, weil dort auch nationalsozialistische Propaganda von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, Filter- und Zugriffssperrungen wirkungslos sind, (295)  überlegt das deutsche Innenministerium, ob durch gezielte “Denial of Service”-Attacken rechtsextremistische Websites in die Knie gezwungen werden können. (296)  Mittels dieser Technik waren Anfang 2000 drei der renommiertesten und am stärksten auf virtuellen Besucherandrang eingestellten Internetseiten (Yahoo, eBay und CNN) durch ein sogenanntes “Script-Kiddie” (297)  zum Abschalten ihrer Server gezwungen worden. (298)  Ein solches Vorgehen wird normalerweise als kriminell angesehen, weswegen der Täter in Kanada vor Gericht gestellt und zu einem Jahr Gefängnis und einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurde, (299)  nachdem sein Telefon und seine Internetverbindung überwacht wurden. (300)  Daß die Strafe nicht höher ausgefallen ist, dürfte nur damit zusammenhängen, daß der Täter noch minderjährig ist, so daß für ihn das Jugendstrafrecht gilt. (301)  Dementsprechend führten die Pläne des Innenministers zu harter Kritik im In- und Ausland. In einer Stellungnahme der deutschen Abteilung der “Internet Society” heißt es: “[Es geht] nicht an, mit zweifelhaften technischen Mitteln Server im Ausland auszuschalten, weil dort - nach den dortigen Gesetzen unter dem Schutz der freien Rede - unter anderem rechtsextreme Inhalte bereitgestellt werden”. (302) 


5. 3. 6. Freiwillige Löschung durch die Provider

Die Zentralstelle der deutschen Bundesländer gegen jugendgefährdende Webangebote “jugendschutz.net” geht auf andere Weise gegen deutschsprachige rechtsextremistische Webseiten auf ausländischen Servern vor. Die Organisation setzt sich mit den Providern in Verbindung, auf deren Servern die beanstandeten Seiten gespeichert sind und bittet um die Löschung der entsprechenden Webseiten. In einigen Fällen kamen die ausländischen Provider der Bitte der deutschen Behörde nach und entfernten die rechtsextremistischen Websites von ihren Rechnern und damit (zumindest vorübergehend) aus dem Internet. (303)  Allerdings ist fraglich, ob der von “jugendschutz.net” eingeschlagene Weg langfristig erfolgreich sein wird. So teilt zwar die Meldung von “heute online” relativ optimistisch mit, daß “zwei Drittel” der beanstandeten Seiten gelöscht wurden, “heise online” allerdings gibt präziser wieder, daß es sich um “etwa zwei Drittel der von März bis Mai beanstandeten Seiten” gehandelt hatte und nennt auch die absolute Zahl von 15 betroffenen verfassungsfeindlichen Webpräsenzen. (304)  Neben der absolut eher geringen Zahl spricht gegen einen langfristigen Erfolg auch das ungefähre Drittel der Provider, die auf eine Entfernung der Seiten verzichtet haben. Die von ihrem bisherigen Provider auf Intervention von “jugendschutz.net” entfernten Seiten könnten bei einem dieser Provider erneut veröffentlicht werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß entsprechende Webveröffentlichungen keinen Provider mehr finden, ist sehr gering, wie das Beispiel der auch in Amerika sehr umstrittenen “Nuremberg Files” gezeigt hat: nachdem der ursprüngliche Provider die Seiten aus dem Netz genommen hatte, waren Angebote zur zukünftigen technischen Betreuung der Seite “nicht nur von Abtreibungsgegnern, sondern auch von liberalen Befürwortern der Meinungsfreiheit gekommen.” (305)  So könnten auch die Urheber rechtsextremer verfassungsfeindlicher Webseiten sowohl auf die Unterstützung von amerikanischen Verfechtern der Meinungsfreiheit hoffen als auch auf Internetprovider, die selbst von Rechtsextremisten geführt werden. (306)  Von beiden Gruppen ist nicht zu erwarten, daß sie den Bitten der deutschen Jugendschützer entsprechen werden, so daß durch den aktuellen Erfolg von “jugendschutz.net” vermutlich nur weniger ambitionierte rechtsextremistische Webprojekte tatsächlich aus dem Internet entfernt sein dürften.





Fußnote 250      Vgl. Volokh.

Fußnote 251      Christoph Kannengießer, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu / Franz Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Neuwied u.a. 91999 (Kannengießer) 231 Rn. 13; vgl. Herbert Bethge, in: Michael Sachs, Grundgesetz, München 21999 (Bethge) 354 Rn. 143; Christian Starck, in: Herrmann von Mangoldt / Friedrich Klein, Das Bonner Grundgesetz 1, München 41999 (Starck) 663 Rn. 182.

Fußnote 252      Den Gesetzesbegriff im Sinne des Artikel 5 II erfüllt nicht nur ein formales Gesetz, sondern auch andere Rechtsvorschriften wie etwa Richtlinien der Universität oder “allgemein anerkannte arbeitsrechtliche Grundsätze”. Vgl. Kannengießer 231f Rn. 13.

Fußnote 253      Starck 664 Rn. 184.

Fußnote 254      Kannengießer 231 Rn. 12.

Fußnote 255      Ebd. Vgl. Hans D. Jarass, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, (Jarass) München 52000; Bethge 354 Rn. 145; Starck 664 Rn. 184.

Fußnote 256      Bethge 354 Rn. 145.

Fußnote 257      Vgl. Bethge 355 Rn. 147.

Fußnote 258      Vgl. Bethge 351 Rn. 131; Jarass 198 Rn. 63; Kannengießer 233 Rn. 14; Starck 652f Rn. 156.

Fußnote 259      Bethge 351 Rn. 132.

Fußnote 260      Starck 653 Rn. 158.

Fußnote 261      Bethge 351 Rn. 132.

Fußnote 262      Vgl. Kannengießer 232f Rn. 13b; Starck 665 Rn. 187.

Fußnote 263      Vgl. Bethge 359 Rn. 163; Kannengießer. 233 Rn. 13c.

Fußnote 264      Vgl. Starck 665 Rn. 187.

Fußnote 265      Gefährdung.

Fußnote 266      Jarras 197 Rn. 60; vgl. Starck 665 Rn. 187.

Fußnote 267      Starck 667 Rn. 191.

Fußnote 268      Vgl. Anwälte fordern Freispruch im Compuserve-Prozess, in: Berliner Zeitung 15. 11. 1999.

Fußnote 269      Vgl. Freispruch im Internet-Prozess, in: Die Welt 18. 11. 1999.

Fußnote 270      Vgl. Internet droht “Sendezeitbegrenzung”, in: heise online 11. 12. 2000.

Fußnote 271      Vgl. Florian Rötzer, Ein gekreuzigtes Schwein und das Internet, in: Telepolis 1. 7. 1998 (Schwein).

Fußnote 272      Schwein.

Fußnote 273      Vgl. Schwein.

Fußnote 274      Wie Schröder 50f richtig betont, umfaßt das Internet weit mehr als das der breiten Masse bekannte World Wide Web (www). Trotzdem wird auch hier dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend “Internet” vorwiegend für die Dienste des Webs benutzt.

Fußnote 275      Schröder 50.

Fußnote 276      Das sind alle .de-Domains, also alle Webadressen, die mit “.de” enden, z.B. uni-bonn.de, heise.de, stbruno.de.

Fußnote 277      Vgl. Schröder 53 Fn. 18.

Fußnote 278      Vgl. ebd. 53.

Fußnote 279      Vgl. ebd.

Fußnote 280      Beispiel in Schröder 53.

Fußnote 281      Vgl. ebd.

Fußnote 282      ebd.

Fußnote 283      Vgl. Florian Rötzer, Update: Leugnung des Holocaust im Internet nach deutschem Recht strafbar, in: Telepolis 13. 12. 2000 (Leugnung); Stefan Krempl, Wachsende Besorgnis über BGH-Urteil gegen Holocaust-Leugner, in: Telepolis 21. 12. 2000 (Besorgnis); Frank Patalong, Mit Hackermethoden gegen Neonazis, in: Spiegel Online 6. 4. 2001 (Hackermethoden).

Fußnote 284      Besorgnis.

Fußnote 285      Besorgnis.

Fußnote 286      “It's not the Nazis, stupid” entgegnete sie auf dem Kongreß "Sicherheit, Privacy und Zuverlässigkeit des Next Generation Internet" des Global Internet Project (GIP) Anfang November 2000 in Berlin auf die Überlegungen Däubler-Gmelins. Vgl. Stefan Krempl, It's not the Nazis, Stupid , in: Telepolis 8. 11. 2000 (Nazis).

Fußnote 287      Nazis.

Fußnote 288      Vgl. Nazis.

Fußnote 289      Vgl. Schröder 51f.

Fußnote 290      Vgl. Schröder 52.

Fußnote 291      Zu der Vorgehensweise von Suchmaschinen vgl. Schröder 52.

Fußnote 292      Vgl. Wolfgang J. Koschnick, Schmuddel-Sex und Rassismus im Internet lassen sich kaum verbieten, in: Telepolis 7. 5. 1997 (Koschnick).

Fußnote 293      Vgl. Tilmann Baumgärtel, Ein Hyperlink ins Gefängnis?, in: Telepolis 24. 1. 1997.

Fußnote 294      Schröder 51.

Fußnote 295      Neben der Möglichkeit auf der Anbieterseite, die Webseiten auf anderen Servern zu spiegeln, ermöglichen die Einwahl über einen ausländischen Provider oder die Nutzung eines Anonymisierungsdienstes auf Nutzerseite den Zugriff auf gesperrte Webseiten. Vgl. Leugnung.

Fußnote 296      Vgl. Florian Rötzer, DoS-Angriffe aus dem deutschen Innenministerium auf Websites im Ausland?, in: Telepolis 7. 4. 2001; Stefan Krempl, Otto Schily gefährdet das Internet, in: Telepolis 9. 4. 2001; Hackermethoden.

Fußnote 297      Im Gegensatz zu “Hackern” oder “Crackern” haben “Script-Kiddies” kein technisches Wissen über die von ihnen eingesetzten Techniken. Sie nutzen allein bereits vorgefertigte Skripte (Computerprogramme), um ihre Ziele zu erreichen. Dabei handelt es sich meist um Angriffe auf fremde Rechner, um ihr Prestige zu steigern. Vgl. Armin Medosch, The Kids are out to play, in: Telepolis 14. 6. 2001.

Fußnote 298      Vgl. Patrick Brauch, Alle gegen einen. Distributed Denial of Service - verteilte Angriffe, in: magazin für computertechnik 25/2000, 256; Norbert Luckhardt, Zum Angriff, in: magazin für computertechnik 5/2000, 68.

Fußnote 299      Vgl. Mafiaboy muss ins Gefängnis, in: heise online 13. 9. 2001.

Fußnote 300      Vgl. “Mafiaboy” bekennt sich schuldig, in: heise online 19. 1. 2001.

Fußnote 301      Vgl. Florian Rötzer, Mafiaboy vor Gericht, in: Telepolis 6. 12. 2000.

Fußnote 302      Zitiert nach Hackermethoden.

Fußnote 303      Vgl. Provider schließen rechtsextreme Angebote, in: ZDF heute online 24. 8. 2001; jugendschutz.net erreicht Sperrung von Neonazi-Seiten, in: heise online 24. 8. 2001 (Sperrung).

Fußnote 304      Vgl. Sperrung.

Fußnote 305      Nuremberg Files.

Fußnote 306      Vgl. Florian Rötzer, Französische Provider sollen Zugang zu US-Nazi-Portal sperren, in: Telepolis 26. 6. 2001.